Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren ist ein Gedicht von Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg) aus dem Jahr 1800. Es enthält einige zentrale Vorstellungen Novalis' von einer romantischen Universalpoesie und wird häufig als programmatisch für die Romantik zitiert. [1]
Inhalt Bearbeiten
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freye Leben
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu ächter Klarheit werden gatten,
Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort. Wenn nicht mehr zahlen und figuren sind schlüssel aller kreaturen in youtube. [2]
Kommentar Bearbeiten
Das Gedicht steht im Romanfragment Heinrich von Ofterdingen. Nicht selbstverständlich ist es, dass in diesem Gedicht "Zahlen und Figuren" herabgesetzt werden, da Novalis sich neben Philosophie und Jurisprudenz auch intensiv mit Naturwissenschaften beschäftigt hat und zwei Jahre an der Bergakademie in Freiberg immatrikuliert und dann in der Salinendirektion in Weißenfels tätig war.
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Im neunten und zehnten Vers geht das Gedicht "Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren" seinem Höhepunkt entgegen. Es wird die Behauptung gebracht, dass die wahren Weltgeschichten nicht in den gelehrten Wissenschaften, den Naturwissenschaften, zu finden sind. Sie seien hingegen ausschließlich in der Poesie, also in Gedichten und auch in Märchen zu finden. Referat zu Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren – Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg | Kostenloser Download. Diese Behauptung ist insbesondere für die damalige Zeit, äußerst provokativ. In Gedichten und Märchen, sieht der Dichter von Hardenberg zeitlose Bilder von Konflikten und typischen Situationen menschlichen Zusammenlebens. Von Hardenbergs Ansichten ähneln denen von Gotthilf Heinrich Schubert, der in seinem Werk "Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaften" im Jahre 1808 eine ähnliche Denkweise schilderte. Die letzten beiden Verse, also der elfte und der zwölfte Vers des Gedichts, bringen die herbeigesehnte Folgerung aus den im Vorfeld genannten Bedingungen. Die Gedichtsform von "Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren" Das Gedicht besteht aus einer einzigen Strophe, welche aus zwölf Versen besteht.
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Das ganze Gedicht besteht aus einem einzigen konditionalen Satzgefüge: Vier Nebensätze mit "Wenn" (rhetorisches Mittel Anapher) gehen einem "Dann"-Satz voraus und bilden mit ihm eine logisch-grammatische Einheit nach dem Konsekutiv-Prinzip (siehe Kommentar). Adaptionen Bearbeiten
Konstantin Wecker: Novalis. Erschienen auf dem Album Ohne Warum (2015). Musik: Konstantin Wecker, Text: Novalis/ Konstantin Wecker. Novalis (Band): Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren. Erschienen auf dem Album "Brandung" (1977) Musik: Fred Mühlböck, Einzelbelege Bearbeiten
↑ Thomas Gräff: Lyrik von der Romantik bis zur Jahrhundertwende. Oldenbourg Interpretationen 96, Oldenbourg, 1. Aufl., 2000, S. 41. ↑ Novalis: Schriften (Historisch-kritische Ausgabe), Bd. 1: Das dichterische Werk, herausgegeben von Paul Kluckhohn und Richard H. Samuel. Kohlhammer, Stuttgart, 2., nach den Handschriften 13. Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren / Sind Schlüssel aller.... ergänzte, erweiterte und verbesserte Aufl. 1960, S. 344. ↑ Walter Hinck: "Stationen der deutschen Lyrik. Von Luther bis in die Gegenwart — 100 Gedichte mit Interpretationen".
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Zitat des Monats Januar 2000, Auflösung
Zitat des Monats Januar 2000
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ew'gen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort. Nun, wie heißt das geheime Wort? Und wer hat dieses Rätselgedicht geschrieben? Damit's nicht zu schwer wird, ein Tip: der unter seinem lateinischen Pseudonym bekannte Autor lebte in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und ist sehr jung gestorben. Wenn nicht mehr zahlen und figuren sind schlüssel aller kreaturen in de. Das Zitat stammt
aus Schillers Räubern, vierter Akt, fnfte Szene: Nahgelegener Wald. Nacht. Ein altes verfallenes Schloss in der Mitte. Die Räuberbande
gelagert auf der Erde. Die Räuber singen. Stehlen, Morden, Huren, Balgen,
Heißt bei uns nur die Zeit zerstreun,
Morgen hangen wir am Galgen,
Drum laßt uns heute lustig sein.
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Für die Dichter der Aufklärung war der Zugang zum Kosmos an Rationalität gebunden. Mit diesem Streben bricht die Romantik und Novalis. [3] Noch 1798 hatte Novalis in seinem "Monolog" den Zauber von mathematischen Formeln gerühmt:
"Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache wie mit den mathematischen Formeln sei – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und eben darum sind sie so ausdrucksvoll — eben darum spiegelt sich in ihnen das Verhältnißspiel der Dinge. " [4]
Novalis misstraut den "Tiefgelehrten" und findet den Schlüssel zum Verständnis der Welt bei den Sängern und den Liebenden. Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren • Visions Schmiede. Der Gedanke von der "Rückkehr der Welt in die Welt" verweist auf den Mystiker Jakob Böhme. Mit diesem Gedanken wendet sich Novalis bzw. dieses Gedicht zwar gegen die Aufklärung, aber nicht mit romantischem Gefühl, sondern mit klar strukturiertem Gedanken (siehe Form unten). Der 1. und 2. Vers üben Kritik am Anspruch der Naturwissenschaften und ihren rational-quantitativen Methoden ( Zahlen und Figuren für Formeln und geometrische Strukturen), das "Geheimnis der Welt" erklären zu können.
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Vers schließlich bringen die ersehnte Folgerung aus den zuvor gesetzten Bedingungen: nur schon vor Einem geheimen Wort (vgl. Eichendorffs vierzeiliges Gedicht " Wünschelrute ": Schläft ein Lied in allen Dingen, / die da träumen fort und fort, / und die Welt hebt an zu singen, / triffst du nur das Zauberwort. ) – d. h. Wenn nicht mehr zahlen und figuren sind schlüssel aller kreaturen in 2. dem Wort des romantischen Dichters – fliegt das ganze verkehrte Wesen fort (d. h. die gelehrte Wissenschaft samt ihren Methoden und Einzelerkenntnissen) und macht der Befreiung des Daseins aus der Unterdrückung durch Verstandes- und Gesellschaftsnormen Platz. Das Motiv des geheimen, nur einem eingeweihten Kreis bekannten Wortes ist der Konzeption Hölderlins und den späteren Haltungen des Kreises um Stefan George verwandt. [6]
Form Bearbeiten
Dem geschlossenen Gedankengang entspricht die einstrophige Einheit, die aus 12 Versen besteht. Das Versmaß ist ein jambischer Vierheber. Als Reimschema wird ein Paarreim verwendet mit jeweils zwei aufeinander folgenden Versen [aa bb cc …] Der Versausgang ist, bis auf die letzten beiden Verse, eine weibliche Kadenz.
Mit den Ausdrücken Schlüssel und Kreaturen ist das wissenschaftliche Wortfeld bereits verlassen in Richtung Mystik und Religion. Der 3. und 4. Vers kritisiert die Tiefgelehrten (d. h. die Vertreter der rationalen Wissenschaft), indem bzw. weil die, die singen, oder küssen (d. h. ganzheitlich musisch bzw. lyrisch Schaffende oder Liebende) mehr wissen. Der 5. /6. Vers beinhalten eine komplexe zweiteilige Aussage: Die Welt kann im 18. Jh. zwei Bedeutungen haben: die gebildete, adlig-bürgerliche Welt der Gesellschaft der "Konventionen" stellt einen Gegensatz zum freien, spontan-emotionalen unverfälschten Leben dar. Oder Welt ist als "Schöpfung" die natürlich-göttliche Ordnung des Kosmos, aus der als der heilen Ursprungswelt die Aufklärung den Menschen herausriss. Ziel der Geschichte ist deshalb die heilsgeschichtliche Wiederherstellung des ursprünglichen paradiesischen Zustandes ( in die Welt zurück). Der 7. und 8. Vers bringen die vierte, vorletzte Bedingung: Das Licht ist das Bild für die Verstandes-Erkenntnis der Aufklärung, die mit der Fackel der Vernunft das Licht der Wahrheit in das Dunkel ( Schatten) des Aberglaubens und Fanatismus, des Unwissens und des Irrtums trägt.