Dass der "Irre" jedoch durchaus auch flexibel auf eine Situation reagieren und die Kontrolle über sich behalten kann, zeigt die darauffolgende Passage: Ein alter Mann, der die blutige Leiche der Frau passiert und gleich darauf ihres offensichtlichen Mörders in Form des "Irren", gewahr wird, vermag es in Geistesgegenwart, sich auf den Verrückten einzustellen und in dessen Welt einzutauchen, um sein eigenes Leben zu retten (S. 26):
"Am Ende wollte er es zuerst einmal mit Freundlichkeit versuchen. Denn mit dem da war es doch nicht ganz richtig, das sah man ja. 'Guten Tag', sagte der Verrückte. 'Guten Tag', antwortete der alte Mann, 'das ist ja ein schreckliches Unglück. ' 'Ja, ja, das ist ein schreckliches Unglück, da haben Sie ganz recht', sagte der Verrückte. Seine Stimme zitterte. 'Aber ich muß weitergehen. Entschuldigen Sie nur. '" [... ]
[1] vgl. Georg heym die irren analyse. hierzu Werner Sulzgruber: Georg Heym "Der Irre". Einblicke in die Methoden und Kunstgriffe expressionistischer Prosa. Erzählen aus der Perspektive des Wahnsinns.
Schnell Durchblicken - So Einfach Kann Es Gehen - Heym, Die Irren
Wien 1997, S. 54 u. 61ff. ; Edith Ihekweazu: Wandlung und Wahnsinn. Zu expressionistischen Erzählungen von Döblin, Sternheim, Benn und Heym. In: Orbis Litterarum 37 (1982), S. 327 und Jörg Schönert: "Der Irre" von Georg Heym. Verbrechen und Wahnsinn in der Literatur des Expressionismus. In: Der Deutschunterricht 42 (1990), H. 2, S. 85. [2] Sulzgruber (1997), S. 61. [3] Ebd. [4] vgl. Sulzgruber (1997), S. 31. [5] Ebd. [6] Ihekweazu (1982), S. 336. [7] dies ist, wie Sulzgruber feststellt, als Krankheitsbefund zu bewerten, vgl. 48. Georg Heym - Umbra Vitae: Die Irren. [8] Ihekweazu (1982), S. 338f. [9] Schönert (1990), S. 90. [10] Ebd. Ende der Leseprobe aus 11 Seiten
Details
Titel
"Rein zum Verrücktwerden" – Georg Heyms Figur des "Irren" als Opfer gesellschaftlicher Zwänge
Hochschule
Freie Universität Berlin
(Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
Georg Heym interdisziplinär gelesen
Note
2, 0
Autor
Wiebke Hugen (Autor:in)
Jahr
2012
Seiten
11
Katalognummer
V205716
ISBN (eBook)
9783656323648
ISBN (Buch)
9783656328223
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Expressionismus,
Psyche,
Wahn,
Wahnsinn
Preis (Ebook)
13.
Georg Heym - Umbra Vitae: Die Irren
Die strophische Gestaltung der Verse entspricht der italienischen Grundform des Sonetts mit umarmenden Reimen (abba, bccb) in den Quartetten. In den Terzetten finden sich in Heyms Gedicht neue Reimsilben, die nach einem dreireimigen Schema aufgebaut sind: ded, eed. Der Vers ist fünfhebig und entspricht insofern dem fünfhebigen Jambus des Dramas (Blankvers), welcher allerdings ohne Reim auskommt. Der fünfhebige Jambus erlaubt verschiedene Abstände zwischen den syntaktischen Gruppen, er ist nicht symmetrisch gebaut wie der Alexandriner, mit der regelmäßigen Zäsur in der Mitte. Form und Inhalt widersprechen einander. In der ersten Strophe ist die Rede von einer Art Käfig. Schnell durchblicken - So einfach kann es gehen - Heym, Die Irren. Die als "[d]ie Irren" bezeichneten Kranken halten sich an den Wänden und Gittern einer Irrenanstalt auf. In der zweiten Strophe wechselt das Bild. Die "Irren" veranstalten einen Ball, der durch einen wahnsinnigen Schrei aufgelöst wird. Der Wahnsinn hat Folgen. In der dritten Strophe geht es darum, dass ein Arzt von einem Kranken gepackt und erschlagen wird.
Insgesamt hat das Gedicht vier Strophen. In den ersten beiden Strophen handelt es sich um einen umarmenden Reim nach dem Schema abba. In der dritten Strophe hingegen reimen sich der erste und der letzte Vers. Betrachtet man die vierte und letzte Strophe, dann stellt man fest, dass sich der letzte Vers mit dem dritten Vers der dritten Strophe reimt. Als Metrum handelt es sich um einen fünfhebigen Jambus mit männlichen und weiblichen Kadenzen. Das Gedicht beginnt mit einer Personifizierung des Mondes. Der Mond tritt aus einer gelben Wolkenwand. Die Farbe Gelb kann hierbei mit etwas Schlechtem, wie Abgase oder Gift, assoziiert werden. Aus diesem Grund wird die Natur in dem Falle eher negativ dargestellt. Die irren georg heym. Häufig wurde die Großstadt und die Industrialisierung kritisiert, die mit Verschmutzung und Abgasen einhergeht, weshalb man dies als Interpretation für die Farbe Gelb sehen kann. Der erste Vers ist die Einführung in das Gedicht und somit die Einführung in die schlechte und kranke Atmosphäre der damaligen Gesellschaft, die uns vor Augen gehalten werden soll.