Startseite Kultur Erstellt: 14. 02. 2022 Aktualisiert: 14. 2022, 18:19 Uhr Kommentare Teilen Der "Freischütz" im Opernhaus – von links: Filippo Bettoschi (Kaspar), Emma McNairy (Ännchen), Sam Taskinen (Kuno), Margrethe Fredheim (Agathe) und Mirko Roschkowski (Max), im Hintergrund Herren des Opernchors. © Birgit Hupfeld Kassel – Schon von der "Magdeburger Hochzeit" gehört? Das ist der zynische Ausdruck für die Verwüstung der Stadt im Jahr 1631. In Carl Maria von Webers "Der Freischütz" wird das entsetzliche Massaker kurz erwähnt, was nicht von ungefähr kommt: Die Originalhandlung der romantischen Oper spielt nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges. Solche Hinweise auf die grausame Vorgeschichte hat Ersan Mondtag sehr ernst genommen. So präsentiert der weithin gefragte Regisseur ein bildgewaltiges Nachkriegs-Panorama. Die Charaktere sind traumatisiert. Anhaltisches Theater Dessau. Allen voran Max, der nichts mehr trifft, aber einen Probeschuss abliefern muss, um seine Braut Agathe heiraten zu können. In der Kasseler Inszenierung ist er ein Psychiatrie-Patient mit Drogenproblemen.
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Nach Ablauf desselben darf er Agathe heiraten. Die Dresdner Inszenierung
Arne Walthers Bühnenbild gibt eine beschädigte Welt wieder. Waldschenke und Försterhaus weisen eingestürzte oder löchrige Mauern auf, Fenster sind zerstört oder hängen schief in den Angeln, Dächer nur noch teilweise vorhanden. In dieser Umgebung schafft Axel Köhler eine gespenstische Atmosphäre – ganz ohne Gespenster. Kasseler Opernhaus Premiere Freischütz Ersan Mondtag. Denn das Gespenst ist der Krieg, ist der Mensch. Der Wald, die Ruinen, Licht (Fabio Antoci) und Projektionen (Axel Köhler und Knut Geng) sorgen für Gänsehaut und Grusel. Immer wieder wird der Krieg einbezogen, Assoziationen zum zerstörten Dresden sind da vielleicht gewollt (bedenkt man die Bedeutung von Aufführungen des »Freischütz'« vor und nach der Zerstörung des Opernhauses), werden dem Publikum aber nicht aufgedrängt. Direkte Dresden-Zitate gibt es nicht, im großen und ganzen bleibt das Stück in seiner Zeit, nur in der Wolfsschluchtszene flackert die Zukunft mit Jagdfliegern kurz bedrohlich herauf.
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Und damit empfänglicher für das Böse. Die Botschaft des Freischütz lautet: In jedem Max steckt auch ein Kaspar. Wir alle können an einen Scheideweg geraten, an dem wir uns entscheiden müssen. Dazu haben wir im Verein mit anderen entschieden, was für uns als Gesellschaft gut ist und was wir für böse halten. Im Freischütz sind die anderen, denen Max zugehören will, die Jäger. Musik: "Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen? Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich? Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen, Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich, Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen, Erstarket die Glieder und würzet das Mahl. Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen, Tönt freier und freud'ger der volle Pokal! Jo, ho! Der freischuetz kasper tv. Traalalalala! " Bettina Auer: "Die Jäger im Freischütz stehen jetzt nicht für den Berufsstand des heutigen Berufsstand, das ist ja ganz wichtig, sondern sie stehen für ein Bild von Männlichkeit und für eine archaische Gesellschaft, in der eben der Jäger das Essen nach Haus brachte.
Zumindest ist Axel Köhlers Inszenierung frei von Teufelsmasken und Spukgestalten. Sein Samiel ist das allgegenwärtig abgründige, aber auch das fehlbare im Menschen. Statt Horrormaske gibt es vor allem einen hörbaren Samiel, der als Stimme aus dem Untergrund höhnt. Leider etwas zu laut, was aber ein rein technisches Problem und lösbar sein sollte, zählt er lakonisch mit, wenn Kaspar Freikugeln gießt – wie konnte der denken, daß er sich mit neuen Opfern freikaufen könnte? Samiel scheint das Menschenschicksal zu langweilen. Katharina Weissenborns Kostüme sind praktisch und farbenfroh – im Gegensatz zu den Häusern haben sich die Menschen schon wieder herausgeputzt. Jäger und Bauern sind so gekleidet, wie man es erwartet. Der freischuetz kasper &. Hier und da hört man ein Murren im Publikum, mancher hätte mehr erwartet, geht der subtile Ansatz nicht weit genug. Andere entrüsten sich über den Kriegsbezug, doch alles in Maßen – keine Aufregung. Axel Köhlers Sichtweise offenbart eine Perspektive, die freizulegen lohnt.