Die Texte unserer Radiosendungen in den Programmen des SWR können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen. Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an. Ein "Fundbüro für Immaterielles". Ende letzten Jahres hat ein Künstler ein ausrangiertes Tickethäuschen in Zürich dazu umfunktioniert. Zu einem Fundbüro, in dem Menschen davon erzählen konnten, wie sie etwas verloren oder gefunden hatten. Aber wie gesagt keine materiellen Dinge, sondern so etwas wie Zeit. Einer jungen Frau, zum Beispiel war, seit sie ein Kind hatte und arbeiten musste, komplett die Zeit verloren gegangen. Für sich selbst oder für Freundinnen. Oder ein siebenjähriges Mädchen hat stolz davon erzählt, dass sie ihre Angst vor dem dunklen Keller verloren hat. Indem es ganz mutig eine Spielecke dort einreichtet und gemerkt hat, dass ihr im Keller nichts passiert. Und ein sechzigjähriger Mann hat beschrieben wie er seine Selbstachtung verloren und wiedergefunden hat. Seine Chefin hatte ihn wohl so sehr geplagt, dass er seine Selbstachtung verloren hat.
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"Diese einfachen Fragen haben einen komplexen Effekt", sagt Bolle. "Die Menschen müssen ganz konkret über ihren Verlust nachdenken, das geht ruck-zuck in die Tiefe und wird persönlich. Man hat keine Chance, sich der Reflexion zu entziehen. Diese Fragen machen etwas mit einem – auch weil sie zuvor noch nie so gestellt worden sind. " Anregung, über das eigene Leben nachzudenken Das Fundbüro 2 gibt es nicht nur online, es existiert auch in der realen Welt – in einem ehemaligen Tickethäuschen in Zürich. Dort sind Patrick Bolle, Kulturmanager, und Andrea Keller, Journalistin und Kulturpublizistin, auf die Idee zu einem Fundbüro für Immaterielles gekommen. Dabei hat das herkömmliche Fundbüro eine nicht unbedeutende Rolle gespielt: Es befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft vom Fundbüro 2, in einer Gegend, die von Büros und Geschäften geprägt ist. "Wer einkaufen oder das reguläre Fundbüro aufsuchen, sich also materiellen Dingen widmen will, kommt quasi zwangsläufig hier vorbei", erklärt Bolle.
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Wer die Hoffnung verloren hat, kann künftig im Fundbüro für Immaterielles vorsprechen. Eventuell hat ein anderer Hoffnung gefunden. Ob es in Sachen Liebe allerdings ehrliche Finder gibt, die sie wieder zurückgeben wollen, das bleibt offen. Das Fundbüro für Immaterielles und die Idee dahinter
Das Ticketcorner-Häuschen "Pavillon" am Werdemühlplatz in Zürich ist Schauplatz für eine der ungewöhnlichsten Beamtinnen der Alpenrepublik. Ein improvisierter Schalter dient als Bühne für die Schriftstellerin Tanja Kummer. Der Name ist dann auch teilweise Programm, wenn sie die Verlustmeldungen von überraschten Passanten entgegennimmt. Dafür ist dann die Hilfe mitfühlend und professionell. Die verlustigen Immaterialien werden genauestens katalogisiert. "War es eine große Liebe oder eher eine kleine? Wann genau haben Sie das Gefühl verloren? ". Doch das neue Fundbüro 2 hat nur im Internet täglich geöffnet. Das Pavillon am Werdemühlplatz zwischen Polizeiwache und Sternwarte Urania hat nur einmal des Monats geöffnet.
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Home Panorama Schweiz Jörg Pilawa erklärt die SKL 19. Februar 2017, 18:59 Uhr Lesezeit: 2 min
Bild: SZ-Grafik
Keine verlorenen Schlüssel, sondern abhandengekommene Lebensfreude, Geduld oder Toleranz: In Zürich hat ein Fundbüro für Immaterielles eröffnet. Von Laura Hertreiter Die Geduld verloren? Verflucht noch mal, fluchen bringt nichts. Losheulen auch nichts, und vom Zusammenreißen ist sie noch nie zurückgekommen, die Geduld. Was allerdings einen Versuch wert ist: den Verlust beim Fundbüro melden. In Zürich ist das jetzt möglich, dort hat vor gut zwei Wochen ein Fundbüro für Immaterielles eröffnet. Die Mitarbeiter am Schalter beschäftigen sich nicht mit verlorenen Schlüsseln und Geldbeuteln, sondern mit abhandengekommener Liebe und Hoffnung - oder eben Geduld. Ein junger Mann zum Beispiel meldete dort kürzlich seine Toleranz als vermisst. Einer seiner Jugendfreunde vertrete in sozialen Fragen so verquere Ansichten, dass sie ihm bei einem gemeinsamen Bierchen abhandengekommen sei, gab er am Schalter im ehemaligen Tickethäuschen am Werdmühleplatz zu Protokoll.
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Geduld verloren, Glück gefunden: In Zürich gibt es ein Fundbüro für immaterielle Dinge, wo solche Dinge als Fund oder Verlust gemeldet werden können. Ein Kunstprojekt. Irgendwie sonderbar: "Fundbüro 2" steht an dem Pavillon mitten in Zürich, aber als eine Frau dort ihre Haarspange als vermisst melden will, klärt Andrea Keller sie freundlich auf. "Hier kann man nur immaterielle Dinge melden", sagt sie. "Zum Beispiel Geduld oder Glück. " Die Frau ohne Haarspange schaut etwas verwirrt und zieht sich zurück. Das Fundbüro auf dem Werdmühleplatz ist Kellers Idee, einer Werbetexterin und Gestalterin, und von Kulturmanager Patrick Bolle. In dem Pavillion wurden früher Theaterkarten verkauft, jetzt hat die Stadt ihn Kulturschaffenden für zwei Jahre für Kunstprojekte zur Verfügung gestellt. Sie hatten den Geistesblitz, als sie das Häuschen in Augenschein nahmen. Ganz in der Nähe befindet sich das echte Fundbüro. Die beiden wollen Erlebtes und Herzenswünsche sammeln. Wut, Einsicht, Liebe, Trauer, Gewissheit - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
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«Wenn ich ein Gefühl in Worte fasse, dann sortiere ich», sagt sie. «Das ist wie Tagebuchschreiben, man entdeckt, wie man mit dem Problem umgehen kann. » Annette Fink dachte sogar an Beichte. «Sich hier zu äußern, das hat einen besonderen Rahmen, das ordnet die Gedanken», sagt sie. «Es tut gut, die Dinge mal ausgesprochen zu haben», meint Nathalie Kaufmann. «Daraus entsteht vielleicht etwas Neues. » Schalterbeamter ist an diesem Samstag der Schriftsteller Thomas Meyer. Der Autor war gleich begeistert von dem Projekt, und hat selbst schon eine Verlust-Meldung gemacht: «Ich habe die Bereitschaft verloren, mich schlecht behandeln zu lassen», sagt er kurz vor Beginn seiner Dienstzeit auf einer Bank am Baum vor dem Fundbüro. Meyer hasst Smalltalk und schätzt, wie schnell es hier mit den Kunden persönlich wird. «Es tut vielen gut, sich gegenüber jemandem, der neutral ist, etwas von der Seele zu sprechen», sagt er. Keller hat berührende Momente erlebt, etwa eine Frau, die von ihren Fehlgeburten erzählte und die die Hoffnung verloren hatte, je Mutter zu werden.
Immer wieder fragt sie nach, so wie es ihr der für das Projekt gestaltete Meldebogen vorgibt. "Seit wann ist der Verlust spürbar und wie macht er sich bemerkbar? " Die Schalterbeamtin nimmt es genau. Ohne exakte Angaben kann sie die Meldung nicht aufnehmen. Ein Gespräch über die Arbeitswelt, Männerbünde und Karrierebrüche beginnt. "Kein Mensch erwartet von uns, dass wir Verlorenes wiederbringen", sagt Andrea Keller, die zusammen mit ihrem Künstlerkollegen und Kulturmanager Patrick Bolle das Fundbüro ins Leben gerufen hat, um zu einem kritischen Umgang mit der Konsumwelt anzuregen. "Den Menschen geht es um die Meldung selbst. " Ganz unabhängig davon, ob sie ihr Anliegen per Mail formulieren oder direkt im "Fundbüro 2" vorsprechen. Ausgerechnet in der Nachbarschaft zur umsatzstarken Bahnhofstraße wird über wirklich wichtige Fragen nachgedacht. Auf der Luxusmeile leisten es sich Nobelgeschäfte, ein überdimensioniertes Schaufenster für eine einzige, sündhaft teure Handtasche auszuräumen, Diamanten sind leichter zu finden als Brot oder wärmende Kleidung für jedermann, und Jung-Dynamiker umkreisen das neue iPhone wie einst die biblischen Israeliten das goldene Kalb.