Unter dem Pseudonym Louis de Marsalle veröffentlichte Kirchner sogar selbst Texte, mit denen er auch den Kunstmarkt für seine neuen Bilder interessieren wollte. Es dauerte lange, bis sie akzeptiert wurden: Erst seit knapp zwei Jahrzehnten werden sie als gleichwertiger Bestandteil seines Œuvres ernst- und wahrgenommen. In der Bonner Ausstellung ist ihnen der Schlussraum gewidmet.
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Die Forschung ist weiter: Tatsächlich weiß man längst, dass die aus ärmlichen Verhältnissen stammenden minderjährigen Mädchen auch sexuell missbraucht wurden – und das war schon damals ein Verbrechen. Klarer ist die Position der Kuratoren zu Kirchner Darstellungen farbiger Modelle und afrikanischer Kunstwerke, etwa aus Benin. Die aus dem Dresdner Museum für Völkerkunde ausgeliehenen Werke mit kolonialem Hintergrund werden als das benannt, wass sie sind: Raubkunst – und Kirchners historischer Bildtitel "Negertänzerin" als das, was er auch damals schon war: rassistisch. Distanzierung vom Expressionismus
Als Weltflüchtling oder Traumreisender, wie der Ausstellungstitel behauptet, bleibt Kirchner – der Deutschland und die Schweiz nie verließ und sein Wissen aus Berichten und Museen bezog – in der Bonner Ausstellung blass. Stark dagegen wird seine Flucht vor dem Expressionismus gezeigt. Kirchner bonn ausstellung in der. Mit einem radikalen Stilwechsel, hin zu flächigen Darstellungen mit mäandernden Linien und ohne jedes Vibrieren der Farben, versucht er ab Mitte der 1920er-Jahre bewusst, das inzwischen anachronistische Label "Expressionist" loszuwerden.
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Dies deute auf den Stellenwert hin, den Kirchner selbst der Kontextualisierung seines Œuvres beimass. Ausstellung und Katalog öffnen so laut Wolfs den Horizont für ein erweitertes Verständnis von Kirchners Werk. Die Essays verschiedener Autoren im Buch befassen sich mit Kirchners Weltflucht und Fantasiewelten, mit seinen Atelier-Enklaven in Dresden und Berlin, mit Kirchners Begegnungen mit Afrika sowie mit dem Fremden, mit seinen erträumten skulpturalen Reisen, mit seinen Fotografien (Idealismus oder Wirklichkeit? ), mit der Umformung seines eigenen Lebens in der Krisenzeit sowie den dabei entstandenen Bildern, mit der Wirkerei sowie dem Spätwerk des Künstlers. Am 15. Juni 1938 nahm sich Ernst Ludwig Kirchner in Fraukirch-Wildboden bei Davos das Leben. Ausstellung: Schau von Ernst Ludwig Kirchner in Bundeskunsthalle. Ein Jahr zuvor hatten die Nationalsozialisten sein Werk als "entartet" eingestuft und über 600 seiner Werke aus Museen entfernt, verkauft oder zerstört. Ernst Ludwig Kirchner. Erträumte Reisen. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn.
In drei Sektionen zeigen sie, wie sich der Expressionist nach der Zeit in der Künstlergruppe Die Brücke neu erfand und wie gesellschaftliche Bewegungen, insbesondere die Lebensreform und die starke Exotisierung seiner Zeit, ihn beeinflussten. Ernst Ludwig Kirchner suchte die Auseinandersetzung mit afrikanischen und ozeanischen Objekten, was ihn zu neuen malerischen Interpretationen trieb. Dank der Kooperation mit dem Museum für Völkerkunde in Dresden können das Art Centre Basel und die Bundeskunsthalle in Bonn erstmals Kirchners Besuchserlebnis in Dresden nachzeichnen. Kirchner bonn ausstellung des. Die Ausstellungsmacher glauben so aufzeigen zu können, dass Deutschlands koloniales Erbe lange Zeit von Künstlern wie den deutschen Expressionisten – analog zu den Zeitgenossen der französischen Avantgarde in ihrem Umfeld – unreflektiert wahrgenommen wurde. Laut dem Intendanten der Bundeskunsthalle in Bonn, Rein Wolfs, las Ernst Ludwig Kirchner mit Begeisterung die Werke von Friedrich Nietzsche. Daher sei er für die Idee der absoluten Autonomie von äusseren Zwängen entflammt gewesen und habe sich der Lebenreformbewegung zugewandt.