Johann Wolfgang von Goethe
Aufnahme 2001
Warum gabst du uns die tiefen Blicke, Unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun, Unsrer Liebe, unsrem Erdenglücke Wähnend selig nimmer hinzutraun? Warum gabst uns, Schicksal, die Gefühle, Uns einander in das Herz zu sehn, Um durch all die seltenen Gewühle Unser wahr Verhältnis auszuspähn? Ach, so viele tausend Menschen kennen, Dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz, Schweben zwecklos hin und her und rennen Hoffnungslos in unversehnem Schmerz; Jauchzen wieder, wenn der schnellen Freuden Unerwart´te Morgenröte tagt. Nur uns armen liebevollen Beiden Ist das wechselseitge Glück versagt, Uns zu lieben, ohn uns zu verstehen, In dem andern sehn, was er nie war, Immer frisch auf Traumglück auszugehen Und zu schwanken auch in Traumgefahr. Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt! Glücklich, dem die Ahndung eitel wär! Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt Traum und Ahndung leider uns noch mehr. Sag, was will das Schicksal uns bereiten? Sag, wie band es uns so rein genau?
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Warum Gabst Du Uns Die Tiefen Blicke Epoche
· 20. Oktober 2014 Unter den Briefen Goethes an Charlotte von Stein aus den Jahren 1776 bis 1779 sind mehr als ein Dutzend Gedichte überliefert, die als Beilage zu einem Brief oder anstelle eines Briefes verschickt wurden. Diese Gedichte erschienen zu Goethes Lebzeiten, wenn überhaupt, nur in abgewandelter Fassung. In der »Weimarer Ausgabe« sind sie in der ersten Abteilung unter den »Gedichten« zu finden, wodurch ihr entstehungsgeschichtlicher Kontext verloren geht. Im dritten Band der historisch-kritischen Briefausgabe erscheinen sie nun – neu ediert nach den Handschriften – erstmals vollständig und im Zusammenhang der Goetheschen Korrespondenz der frühen Weimarer Zeit. Faksimile, Liebesgedicht von Goethe an Charlotte von Stein »Warum gabst du uns die Tiefen Blicke … «, 14. April 1776, © Klassik Stiftung Weimar »Warum gabst du uns die Tiefen Blicke …« Einige der Gedichte sind eng mit der Person der Adressatin verbunden, darunter »Warum gabst du uns die Tiefen Blicke … «, eines der schönsten Liebesgedichte in deutscher Sprache.
Warum Gabst Du Uns Die Tiefen Blicke Metrum
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Warum gabst du uns die tiefen Blicke,
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unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun,
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unsrer Liebe, unsrem Erdenglücke
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wähnend selig nimmer hinzutraun? 5
Warum gabst uns, Schicksal, die Gefühle,
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uns einander in das Herz zu sehn,
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um durch all die seltenen Gewühle
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unser wahr Verhältnis auszuspähn? 9
Ach, so viele tausend Menschen kennen,
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dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz,
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schweben zwecklos hin und her und rennen
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hoffnungslos in unversehnen Schmerz;
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jauchzen wieder, wenn der schnellen Freuden
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unerwart´te Morgenröte tagt. 15
Nur uns armen liebevollen Beiden
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ist das wechselseitge Glück versagt,
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uns zu lieben, ohn uns zu verstehen,
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in dem anderen zu sehen, was er nie war,
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immer frisch auf Traumglück auszugehen
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und zu schwanken auch in Traumgefahr. 21
Glücklich, den ein leerer Traum beschäftigt! 22
Glücklich, dem die Ahndung eitel wär! 23
Jede Gegenwart und jeder Blick bekräftigt
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Traum und Ahndung leider uns noch mehr. 25
Sag, was will das Schicksal uns bereiten?
Seine Blicke sprühten vor Witz. In starrer Haltung, das Haupt leicht zurückgebogen, saß er stumm auf dem Sessel, und seine Blicke schienen undurchdringlich, als gälten sie einem fernen, unbekannten Gotte, der nur ihm sich offenbarte, einzig seiner ebenbürtig. Als Rebell der Jugendzeit flatterten seine Blicke hurtig auf wie Vögel, von jedem Hauch, von jedem Beben der Luft aufgescheucht – heute siehst du ihn, ärmlich und verwahrlost, auf abgelegenen Bänken des Parks sitzen, seine Augen sind erloschen, seine Blicke stumpf und leer. Wie die großen Tier-Töter ihre Opfer mit starren Blicken bannen, zerfiel unter seinen bannenden Blicken ihm alles, alles Gebaute, alles Gewachsene, zu Staub. Als würden seine Blicke lallen …